Zeichen und Wunder: Zufällige Zukunftshinweise?

Der Kontakt mit dem Überirdischen lässt sich auch durch  „technische Hilfsmittel" realisieren. So ist die Interpretation von Zeichen aller Art eine der wohl am längsten praktizierten Methoden der Zukunftsvorhersage. Als bedeutungsvolles Zeichen können dabei Erscheinungen in der Umwelt genauso dienen wie scheinbar zufällig entstehende Muster und Hinweise.

Zukunftsprognosen dieser Art sind in vielen Kulturkreisen verbreitet, entsprechend groß ist das Spektrum der möglichen Instrumente. Ob Würfel, Stäbe, Steinchen oder Knochen, Karten, Bleigießen oder beliebige weitere Hilfsmittel: Das Prinzip, aus einem zunächst zufälligen Wurfmuster Hinweise einer höheren Macht auf das eigene Schicksal herauszulesen, ist immer gleich.

Auch natürlich auftretende Phänomene haben zu allen Zeiten Menschen angeregt, ihnen weiterreichende Bedeutung beizumessen. So wurden beispielsweise selten auftretende Fehlbildungen von Tieren und Menschen, wie zweiköpfige Kälber oder siamesische Zwillinge, immer wieder als überirdischer Hinweis auf große, meist unheilvolle Veränderungen in naher Zukunft gedeutet. Das Lesen aus Handlinien oder den Bewegungen der Gestirne verbindet mit ähnlichen Vorstellungen gleichzeitig genaue Beobachtungen dieser Naturphänomene und versucht, aus diesen Beobachtungen Regeln und Zusammenhänge abzuleiten. Indem also eine gewisse Empirie mit der Interpretation natürlicher Gegebenheiten verknüpft wird, nähern sich diese Praktiken in mancher Hinsicht bereits wissenschaftlichen Prognosen an.

Illustration einer Zukunftsversion des Humanisten Joseph Grünpeck.

Joseph Grünpeck
De reformatione christianae reipublicae sive ecclesiae 

Wien (?), um 1520
Handschrift auf Papier
Badische Landesbibliothek, Cod. Durlach 19

Im ausgehenden Mittelalter nahmen Erwartungen des nahenden Weltuntergangs stark zu. Vielen erschien es unmöglich, dass die Gesellschaft in ihrer damaligen Form weiter bestehen bleiben könnte, ein grundlegender Umbruch schien unausweichlich. In diesem Kontext verfasste der Humanist Joseph Grünpeck (1473–ca. 1532) eine Zukunftsvision, in der verschiedene Wunderzeichen als Vorausdeutung eines die Christenheit rettenden Helden (vermutlich Kaiser Maximilian I.) beschrieben werden. Das Werk reihte sich ein in eine Vielzahl von Prognostiken, die in der Zeit um 1500 erschienen.

Bunte Illustration des Josephs, der nach einem Mordversuch seiner Brüder nach Ägypten verkauft wurde und dort eine Karriere als Traumdeuter begann.

Joseph und der Pharao
in: Kupferstiche zum Alten und Neuen Testament 

Augsburg: Albrecht Schmidt, 1720
Badische Landesbibliothek, 119 E 3150 R

Traumdeutung hat zu allen Zeiten und in fast allen Kulturen ihren Platz. Sie spielt daher auch in vielen Legenden und Mythen eine wichtige Rolle. So sind schon in den Schriften des Alten Testaments mehrere Traumszenen zu finden, die dem Leben und Handeln der jeweiligen Figur entscheidende Impulse geben und seine Zukunft beeinflussen. Eine der bekanntesten ist die Geschichte von Joseph, der nach einem Mordversuch seiner Brüder stattdessen nach Ägypten verkauft wurde. Dort machte er als Traumdeuter eine Karriere, die ihn aus Gefängnishaft zu einem der mächtigsten Gefolgsleute des Pharao aufsteigen ließ. 

Abbildung einer Handfläche mit eingetragenen Deutungen der Handlinien.

Aristoteles
Chiromantia

Ulm: Reger, 1490
Badische Landesbibliothek, Dq 151

Die Idee, dass sich aus den Eigenheiten der Handlinien die Zukunft deuten lässt, ist schon sehr alt. Bereits aus der Antike sind dazu Schriften überliefert, eine der bekanntesten wird dem berühmten griechischen Philosophen Aristoteles und damit dem 4. Jahrhundert vor Christus zugeschrieben. Der Text stützt sich allerdings auf noch weit ältere Traditionen und verbindet die Deutung der Handlinien, wie auch die Deutung weiterer äußerer Erscheinungsmerkmale eines Menschen, vor allem mit charakterlichen und gesundheitlichen Zuschreibungen. Dies wiederum ermöglicht dann einen gewissen Rückschluss auf das künftige Schicksal der Person.

 

Buchseite mit Text und Illustration zur Chiromantie. Zu sehen ist eine Handfläche mit eingetragenen Symbolen am Ringfinger und der Handfläche.

Johannes ab Indagine
Die kunst der Chiromantzey vsz besehung der hend

Straßburg: Schott, 1523
Badische Landesbibliothek, 76 B 1758 RH

In Mittelalter und Früher Neuzeit war das Handlesen noch immer sehr weit verbreitet. So erschien 1522 ein lateinisches Handbuch dazu, das in seiner deutschen Übersetzung von 1523 für die nächsten rund zwei Jahrhunderte zu einem Standardwerk für dieses Thema wurde. Sein Verfasser war der Frankfurter Kanoniker Johannes Indagine (ca. 1467–1537). Er beschrieb detailliert und umfassend die Lehre der Deutung von Gesichtszügen, Handlinien und Körperbau. Obwohl das Werk schon bald auf dem päpstlichen Index der verbotenen Bücher landete, wurde es noch bis weit ins 17. Jahrhundert hinein vielfach nachgedruckt und gelesen.

Schriftlicher Anhang der Chiromantia Medica, Deutung der Zeichen auf den Fingernägeln.

Philipp von Mey
Chiromantia Medica mit einem Anhang von den Zeichen auff den Nägeln der Finger 

Dresden: Löffler, 1670
Badische Landesbibliothek, 121 E 820 

Wie aktuell und modern das Handlesen noch im 17. Jahrhundert war, belegt auch der lateinische Traktat des Philipp von Mey aus dem Jahr 1665, der 1667 auch in deutscher Sprache erschien. Der Arzt sah das Betrachten und ausführliche Interpretieren physischer Merkmale, darunter auch der Hände, als Teil seiner beruflichen Wissenschaft an. Daher waren auch die daraus abgeleiteten Vorhersagen zur künftigen Entwicklung der betreffenden Person völlig ernsthaft und wissenschaftlich gemeint – ganz in der Tradition seiner Zeit. Erst mit der einsetzenden Aufklärung verlor die Chiromantie ihr wissenschaftliches Ansehen.

 

Titelblatt des sechsten Teils des Buches „Das Groß Planeten Buch sammt der Geomanci, Physiognomi und Chyromanci“ von Sebastian Brenner.

Sebastian Brenner
Das Groß Planeten Buch sammt der Geomanci, 
Physiognomi und Chyromanci

Straßburg: Städel, 1674
Badische Landesbibliothek, 119 E 3290 R

Nicht selten befassten sich Autoren von Texten zur Handliniendeutung auch mit weiteren Formen der Zukunftsvorhersage aus äußeren Zeichen, etwa mit Sterndeutung oder Geomantie, der Kunst, Vorhersagen aus bestimmten Mustern in Sand zu deuten. Ein typisches Beispiel für ein solches Kompendium der Zukunftsdeutung ist Sebastian Brenners Sammelwerk aus dem 17. Jahrhundert. Während über Brenners Person nichts bekannt ist, beruft er sich schon auf dem Titelblatt auf eine Vielzahl früherer Autoritäten auf diesem Gebiet, darunter Prominenz wie Platon oder Ptolemäus.
 

Handschriftliche Deutung von geometrischen Zeichen.

Astrologia terrestris sive Geomantia

18. Jahrhundert
Handschrift auf Papier
Badische Landesbibliothek, Cod. Karlsruhe 128

Eine weitere Form der Deutung von scheinbar zufälligen Zeichen ist die Geomantie. Dabei wird ein bestimmtes Raster in Sand oder die Erde gezeichnet. Anschließend wird mit einem Stock oder anderen Werkzeug blind eine zufällige Zahl von Punkten darin eingetragen. Aus Zahl und Position der Punkte innerhalb des Rasters werden dann Vorhersagen abgeleitet. Diese Methode war in Europa seit dem hohen Mittelalter bekannt und vor allem in der Renaissance sehr beliebt. Das zeigen auch diese für den privaten Gebrauch gedachten Handschriften mit ausführlicher Anleitung der geomantischen Vorhersage.

Astrologische Handschrift auf Papier.

Astrologia terrestris sive Geomantia

um 1600
Handschrift auf Papier
Badische Landesbibliothek, Cod. Karlsruhe 1769
 

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