Straube als Vermittler

Der Kaimsaal in München, zeitgenössische Fotografie, Reproduktion

Der Münchner Kaimsaal gehörte neben dem Odeonssaal zu den bedeutendsten Konzertsälen in München zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Am 9. November 1901, zwei Monate nach Regers Einzug in München, spielte Straube hier ein ausschließlich seinem Schaffen gewidmetes Orgelkonzert, in dem neben Phantasie und Fuge über B-A-C-H op. 46, Kyrie eleison und Benedictus aus den erst im Frühjahr des Jahres komponierten Zwölf Stücken op. 59 erstmals die drei Choralphantasien op. 52 in einem Konzert erklangen, jene über »Halleluja! Gott zu loben« als Uraufführung.

Sauer-Orgel der Garnisonkirche Berlin, zeitgenössische Fotografie, Reproduktion (koloriert)

Auf der Orgel der 1720-22 erbauten, im Zweiten Weltkrieg zerstörten Garnisonkirche auf dem Areal des heutigen Litfaß-Platzes spielte Straube am 20. Februar 1902 die Uraufführung von Regers Symphonischer Phantasie und Fuge op. 57, nach Phantasie und Fuge über B-A-C-H eines weiteren anspruchsvollen grandiosen Orgelwerkes, das alle Möglichkeiten des modernen Orgelbaus auslotete und besonders souveräner Interpreten bedarf.

Das Münster in Basel, Blick auf die Orgel, zeitgenössische Ansichtskarte von Ph. & E. Link, Reproduktion

Im Rahmen der Tonkünstlerversammlung des Allgemeinen Deutschen Musikvereins, das mit dem Musikfest des Schweizer Tonkünstlervereins zusammengelegt worden war, spielte Straube am 14. Juni 1903 die Choralphantasie über »Ein’ feste Burg ist unser Gott« op. 27 und die Symphonische Phantasie und Fuge op. 57. Zum besseren Verständnis wurde verbreitet, dass Dantes »Inferno« den Hintergrund avantgardistischen Harmonik der Symphonischen Phantasie und Fuge gegeben habe (allein Takt 6 der Phantasie bringt es auf 142 Versetzungszeichen). Mit der Aufführung brachte Straube die Basler Orgel, deren Renovierungsbedarf bereits bekannt war, an ihre Grenzen, und gerade in der Überwindung der Schwierigkeiten erlebte Reger Straubes »grandiose Leistung«.

Für viele wegbereitende Konzerte zeichnete Karl Straube verantwortlich. Neben den Ur- und zahlreichen Wiederaufführungen in Wesel stellte er auf dem 1. Rheinisch-Westfälischen Organistentag am 14. Juni 1899 in der Essener Kreuzeskirche die Orgelsonate fis-Moll op. 33 als Uraufführung vor. Im Münchner Kaimsaal stellte er sich am 5. März 1901 mit einem reinen Reger-Programm vor und bestätigte die Bedeutung des jungen Komponisten durch ein Folgekonzert am selben Ort acht Monate später. In der Berliner Garnisonkirche stellte Straube zwei Choralphantasien Regers und Phantasie und Fuge über B-A-C-H op. 46 drei großen Orgelpräludien Charles Valentin Alkans gegenüber. Auch im Rahmen der Tonkünstlerversammlung des Allgemeinen Deutschen Musikvereins in der Heidelberg Peterskirche kam Phantasie und Fuge über B-A-C-H op. 46 zu Gehör und spannte so den Bogen zurück zu dem Gründer des Allgemeinen Deutschen Musikvereins, Franz Liszt. Straube widmete das dritte seiner Antrittskonzerte als Leipziger Thomasorganist am 4. März 1903 Reger, es erklangen die zweite Sonate d-Moll op. 60, Introduktion und Passacaglia op. 63 Nr. 5 & 6 aus den Monologen, die Choralphantasien op. 52 Nr. 2 und 27, Basso ostinato und Romanze op. 69 Nr. 3 und 8 sowie abermals Phantasie und Fuge über B-A-C-H op. 46.

Straube hatte am Rande des Basler Konzerts die Komposition eines nicht choralgebundenen Variationswerks für Orgel angeregt, und Reger griff diese Idee noch in den Sommerferien auf. Straube, dem er das Orgelwerk »zur Erinnerung an den 14. Juni 1903« widmete, war nicht der einzige Organist, der sich mit dem komplexen Werk, an dem er intensiv gefeilt hatte (u. a. strich er eine Variation noch in einer frühen Arbeitsphase), nicht unmittelbar an die Öffentlichkeit begeben mochte; erst im März 1905 spielte Walter Fischer in der Berliner Garnisonkirche die Uraufführung. Während Hugo Leichtentritt von der Berliner Aufführung schwärmte, es sei Fischer gelungen, die »auf dem Papier so wirr aussehenden Noten in blühende Klangebilde« zu verwandeln, konnte Arthur Smolian in Leipzig nicht fassen, dass »die delirierende Musik des furchtbaren Orgelopus 73« demselben Geist entstamme wie die im selben Konzert aufgeführte Choralkantate. Regers Schaffensdrang für groß dimensionierte Orgelwerke blieb für viele Jahre gebremst, der Bann sollte erst nach zehn Jahren durch ein Auftragswerk, die Introduction, Passacaglia und Fuge e-Moll op. 127 gebrochen werden.

Introduction, Variationen und Fuge fis-Moll über ein Originalthema für Orgel op. 73.
Cor van Wageningen an der großen Sauer-Orgel im Berliner Dom (2000) | Anhören

 

Variationen und Fuge über ein Originalthema fis-Moll op. 73, Stichvorlage – Mus. Ms. 017 – erworben 1967 – S. 16–17

Auftragskomposition für die Jahrhunderthalle Breslau – Uraufführung durch Straube

Nach den Variationen op. 73 wandte sich Reger anderen Kompositionsgattungen zu und kehrte erst zur groß angelegten Orgelmusik zurück, als an ihn im Oktober 1912 der Auftrag herangetragen wurde, zur Eröffnung der 1913 anlässlich der Hundertjahrfeier der Befreiungskriege gegen Napoleon zu vollendenden Jahrhunderthalle in Breslau eine Orgelkomposition zu schreiben. Die Sauer-Orgel war mit fünf Manualen und 200 Registern die größte der Welt.

Über die Akustik der zentralen Kuppelhalle, die ganz aus Stahlbeton besteht und im damaligen Deutschland die größte dieser Art war, war Reger nichts bekannt, nicht zuletzt aus diesem Grund verschob er die Druckfreigabe bis nach der Uraufführung am 24. September. In Breslau spielte Straube mehrere Orgelkonzerte anlässlich der Orgelweihe, im zweiten erklang Regers Monumentalwerk aus Gründen der Raumakustik in 40 statt der metronomisch vorgegebenen 30 Minuten.

Im April begonnen, konnte Reger das Manuskript – nachdem er am Vortag Straube ein erstes Mal mit dem Werk bekannt gemacht hatte – am 23. Mai 1913 zum Druck einreichen. Die Korrekturfahnen sandte er am 16. Juni an den Verlag Ed. Bote & G. Bock zurück, damit dieser ein Aufführungsexemplar für Straube erstellen konnte. Die zahlreichen Abweichungen zwischen dem Manuskript und der gedruckten Ausgabe, über die der Kritische Bericht der Reger-Werkausgabe detailliert Auskunft gibt, gehen zu weiten Teilen auf Straubes aufführungspraktische Erfahrungen zurück (Straube übersandte die Fahnen erst nach dem 18. Oktober an den Verlag).

Introduction, Passacaglia und Fuge e-Moll op. 127, Stichvorlage – Mus. Ms. 065 – erworben 1982 – S. 20–21 (ab T. 160, dem Takt nach der Streichung)

Introduction, Passacaglia und Fuge e-Moll für Orgel op. 127
Passacaglia (Ausschnitt)
Bernhard Buttmann an der großen Sauer-Orgel im Berliner Dom (2015) | Anhören

Reger-Werkausgabe. Wissenschaftlich-kritische Hybrid-Edition von Werken und Quellen, hrsg. im Auftrag des Max-Reger-Instituts/Elsa-Reger-Stiftung von Susanne Popp und Thomas Seedorf, Abteilung I Orgelwerke, Bd. 3 Phantasien und Fugen, Variationen, Sonaten, Suiten II, Stuttgart: Carus 2012, S. 208–209 mit zahlreichen Abweichungen im Notentext, die in ihrer Fülle beeindrucken. Das Lesartenverzeichnis zu Introduction, Passacaglia und Fuge e-Moll op. 127 umfasst S. 208–211.
Werkausgabe

Jahrhunderthalle Breslau, Fotografie, Reproduktion

Seit 2006 gehört die Jahrhunderthalle zum UNESCO-Weltkulturerbe. Die Haupthalle mit dem umgebenden Areal wird für Messen, Sport- und Kultur-Veranstaltungen genutzt. Sie besitzt rund 6.000 Sitzplätze, bei Verwendung von Stehplätzen fasst sie fast 20.000 Besucher. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Orgelwerk der Halle auf drei neue Kirchenorgeln aufgeteilt.

Gerhart Hauptmann, Festspiel in deutschen Reimen, Erstausgabe Berlin 1913
R1 (55 A 1596)

Ebenfalls als Auftragswerk für die Einweihungsfeierlichkeiten entstand Hauptmanns Festspiel in deutschen Reimen, das am 31. Mai 1913 in der Regie von Max Reinhardt uraufgeführt wurde. Ihm fehlt jedes heroische Pathos, die Akteure treten als Marionetten auf, die Schlussszene wird zur Apotheose der deutschen Kultur, während Generalfeldmarschall Blücher von der Bühne geschickt wird. Als der kaiserliche Kronprinz drohte, sein Protektorat über die Jahrhundertausstellung zurückzuziehen, wurde das Stück vorzeitig abgesetzt.

 

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