Der Tod bricht alle Regeln

Illustration eines Skeletts, das einen Narren am Rock festhält. Der Narr blickt überrascht über seine Schulter zurück, während das Skelett ihn am Gewand packt.

Sich des Todes nicht versehen, in: Sebastian Brant: Das Narrenschiff, Basel: Johann Bergmann, 1494.

„Der Sünde Sold ist der Tod.“    RÖM 6,23

Eine sonderbare Ambivalenz prägt das Verhältnis von Narr und Tod. Sie tritt besonders deutlich bei den Totentänzen zutage, in denen der Tod unterschiedslos alle Stände in seinen Reigen zieht, von Kaiser und Papst bis hin zu Gauklern und Narren: Hier wird auch der Narr Opfer des Todes, der sich seinerseits zuweilen in der Narrentracht präsentiert. Das Motiv des Totentanzes entstand Mitte des 14. Jahrhunderts unter dem Eindruck der schrecklichen Pestepidemien, die frühesten Illustrationen sind aus dem 15. Jahrhundert überliefert.

Die Nähe von Narrheit und Tod ist wohl darauf zurückzuführen, dass man Narrheit und Erbsünde gleichsetzte. Mit der Ursünde ging das Paradies verloren und der Tod kam in die Welt. Daher kann der Narr als verkörperte Sündhaftigkeit zugleich für den Tod stehen und umgekehrt. Indem sich der Narr von Gott befreit, ist er dem Tod verfallen, während den gläubigen Christen das ewige Leben gewiss ist.

Narr und Tod
Der um 1435/1440 entstandene Totentanz an der Friedhofsmauer des  Basler Predigerklosters wurde 1805 zerstört. Erhalten sind vor allem die Zeichnungen Matthäus Merians. Sie zeigen den Tod im  Narrenge-wand, der den Narren mit sich zieht. Die Bildunterschrift deutet auf das schwierige Dasein eines Hofnarren hin, der lieber von seinem Herrn und seinen Knechten täglich geschlagen würde, statt dem Tod folgen zu müssen.

Matthäus Merian d.Ä.: Totentanz, wie derselbe in Basel zu sehen ist
Frankfurt a.M.: Merian, 1696
Illustrationen nach Matthäus Merian d.Ä.
Badische Landesbibliothek, 66 A 227 RH

Narr und Tod
1839 kopierte Hieronymus Hess die Motive des Basler Totentanzes, wobei er sich Freiheiten nahm, bei-spielsweise in der individuelleren Charakterisierung der Gesichter. Die Faszination des Totentanzes ist auch im 19. Jahrhundert unverändert. Im Vorwort wird ganz klar der Gedanke formuliert, wie tröstlich es sei, dass  angesichts des Todes alle Menschen gleich seien.

Totentanz der Stadt Basel
Basel: Sattler, um 1860
Illustrationen von Hieronymus Hess nach 
Matthäus Merian d.Ä.
Badische Landesbibliothek, 64 B 106

Narr und Tod
Der Tod nähert sich tänzelnd und Sackpfeife spielend dem Narren, den er am Gewand zupft und zum Mitkommen auffordert. Dieser scheint noch ein wenig zurückhaltend: In der Hand die Narrenwurst, die ebenso wie die entblößten Genitalien seine sexuelle Potenz und
Vitalität symbolisiert, wendet er sich leicht ab. Zugleich tanzen seine Beine jedoch schon nach der Melodie – er ist dem Tod verfallen.

Gilles Corozet: Imagines mortis
Köln: Birckmann, 1555
Illustrationen nach Hans Holbein d.J.
Badische Landesbibliothek, 74 A 3731

Narr, Tod und Vergänglichkeit
Die Wesensverwandtschaft von Narr und Tod und der zugrundeliegende Vanitasgedanke, das Bewusstsein für die Vergänglichkeit, tritt auch in diesem Kupferstich zutage. Der Tod im Narrenkostüm umwirbt die junge Frau und überreicht ihr ein Stundenglas. An seiner Seite hängt statt Marotte oder Spiegel als Attribut eine große Narrenwurst, Anspielung auf die fleischliche Liebe – der Tod schlüpft also gewissermaßen in die Rolle des Liebesnarren. Die lateinische Inschrift besagt: Jede Schönheit im Menschen tilgt der Tod.

Sebald Beham: Die Dame und der Tod
Kupferstich, 1541
Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, I403