Narrenliebe – freie Liebe!?
Von nächtlichem Hofieren, in: Sebastian Brant: Das Narrenschiff, Basel: Johann Bergmann, 1494.
„Eine hübsche Frau, als Närrin geboren, / Gleicht einem Roß, dems fehlt an Ohren; / Wer mit derselben ackern will, / Der macht der krummen Furchen viel” - Sebastian Brant
Vor allem Liebesnarren gibt es in allen Spielarten: nächtliches Hofieren, Eifersucht, Galanterie, Buhlschaft und Ehebruch. Dabei werden nicht nur die Männer von den Frauen am Narrenseil geführt, sondern insbesondere die Frauen haben aus frühneuzeitlicher Sicht einen Hang zur Narretei. Schließlich war es in der Bibel die neugierige Eva, die sich nicht nur dazu verführen ließ, vom verbotenen Apfel zu essen, sondern auch Adam dazu überredete und damit das Paradies verspielte. Da Brant die Frauen nur am Rande behandelt hatte, brachte schon um 1500 der flämische Humanist Jodocus Badius Ascensius den Band „Stultiferae naves“ heraus, in dem er sich ausschließlich den weiblichen Narrheiten widmet. Diese Tradition setzte Murners „Die Geuchmatt“ (Die Narrenwiese) fort, ebenso wie der zweite Band von Abraham a Sancta Claras „Hundert ausbündige Narren“ unter dem Motto „Mala gallina – malum ovum“ (Ein verdorbenes Huhn legt schlechte Eier). Die Närrinnen vergessen über Liebeständelei und Eitelkeit ihre Pflichten gegenüber Gott, Gesellschaft und Ehemann, dem sie häufig Hörner aufsetzen.
Eva mit Adam auf dem Narrenschiff
Zwei Teufel mit Narrengewändern rudern das Schiff der Ureltern Adam und Eva, das unter der Flagge des Höllendrachen fährt. Der Mast ist gleichgesetzt mit dem Baum der Erkenntnis, um den sich die Schlange windet und Eva den fatalen Apfel anbietet. Adam versucht mit abwehrender Geste, das Unheil zu verhindern. Die Urmutter wird hier zugleich als Narrenmutter präsentiert, durch die die Narrheit in die Welt kommt.
Jodocus Badius: Stultiferae naves
Paris: Thielmann Kerver für Frères de Marnef, 1500
Badische Landesbibliothek, 59 A 3334 Ink
Buhlschaft
Die geflügelte Venus führt Mönche, Narren und einen Affen am Narrenseil – der von ihr Verführte macht sich zum Affen. Dieser galt als Zerrbild des Menschen, der seinerseits als Ebenbild Gottes gesehen wurde. Begleitet wird sie von Cupido, dem Gott der Begierde, der mit Augenbinde seine Pfeile verschießt, und vom Tod. Liebe und Tod gehen oft Hand in Hand als Bild der Vanitas, der Vergeblichkeit und Eitelkeit allen menschlichen Tuns. Wer auf die weltliche Liebe zählt, wird sich betrogen sehen.
Johann Geiler von Kaysersberg: Navicula sive speculum fatuorum
Straßburg: Johann Prüss, 1511
Badische Landesbibliothek, GYM 166 RH
Die Macht der Venus
Hier deutet nur die Bildunterschrift „Ach, was schöne Geuch“ auf die Narrheit derjenigen hin, die der Liebesgöttin huldigen. Bildlich gezeigt werden kirchliche und weltliche Fürsten in ihrem Ornat. Auf der Hand der Venus sitzt ein Vogel, vermutlich der Gauch, heute Kuckuck genannt. Das Wort konnte aber auch Narr oder Dummkopf bedeuten. Auf der Narrenwiese oder Geuchmat tummeln sich die Liebesnarren. Murner selbst tritt als Kanzler auf und trägt die 22 Kapitel des Werkes vor.
Thomas Murner: Die Geuchmat
Basel: Adam Petri, 1519
Badische Landesbibliothek, 98 A 75003 RH
Narren und Frau Welt
Das Titelkupfer zeigt die Weltkugel, auf welcher statt der realen Kontinente die Königreiche der Hauptlaster eingetragen sind. Chronos, die personifizierte Zeit, öffnet den Globus, dem die Sünden als kleine Narren in Scharen entsteigen. Der Teufel hält im Hintergrund schützend eine Narrenkappe über sie, während links die mütterliche Personifikation der Welt den Narren dabei behilflich ist, aus dem Globus herauszuklettern.
Abraham a Sancta Clara: Ein Schock Phantasten in einem Kasten
Nürnberg: Johann Christian Weigel, vor 1705
Illustrationen von Johann Christian Weigel
Badische Landesbibliothek, 79 B 1384 RH
Die Hoffart bespiegelt sich selbst
Superbia, der Hochmut, galt als schwerwiegendste aller Todsünden. Sie führt auch dazu, dass der Hoffärtige glaubt, auf Gott verzichten zu können. In der Illustration des Narrenschiffs bespiegelt sie sich selbst und bemerkt nicht, dass sie dem Teufel schon längst verfallen ist. Dieser erscheint im Hintergrund als vogelartiger Dämon und hält eine Art Ofenschaufel, die der Hoffart als Sitz dient.
Sebastian Brant: Doctor Brants Narrenschiff
Straßburg: o.A., 1512
Badische Landesbibliothek, 69 A 1668
Hoffart
Im 20. Jahrhundert hat sich die Wahrnehmung der Hoffart sichtlich gewandelt. Der Schweizer Graphiker und Illustrator Felix Hoffmann lässt sie nun als Maschinenmann erscheinen, der mit gravitätischer Miene den Blick hinter einer riesigen Gelehrtenbrille in ungewisse Fernen richtet. Im Technikzeitalter ist Hochmut männlich.
Sebastian Brant: Die sieben Todsünden
Radierungen von Felix Hoffmann
Aarau, Frankfurt a.M.: Sauerländer, 1969
Badische Landesbibliothek 96 B 75296 RB