Die gefährdete Freiheit der Hofnarren

Zu sehen ist eine Illustration von Joseph Fröhlich, Hofnarr von August dem Starken am sächsischen Hof, in welcher er seine Mithöflinge segnet.

Satirische Darstellung von Joseph Fröhlich, Hofnarr von August dem Starken am sächsischen Hof, wie er seine Mithöflinge segnet, um 1729, London, British Museum.

„Die Narren sind bei großen Herren so beliebt, dass mancher ohne sie weder essen noch trinken, ja keinen Augenblick ohne ihre Gesellschaft verbringen mag!“  - Erasmus von Rotterdam

Auch wenn Hofnarren ein sehr altes, schon vorchristliches Phänomen sind, so begann die Blüte des europäischen Hofnarrentums um die Mitte des 15. Jahrhunderts.
Der Status eines Hofnarren war von großer Unsicherheit geprägt: Einerseits stand kein Höfling dem Fürsten näher, niemand durfte sich mehr Freiheiten herausnehmen als er oder die oft sehr strengen Hofrituale so ungestraft durchbrechen. Andererseits brauchte er ein feines Gespür dafür, wann die Grenzen der Geduld seines Herrn erreicht waren, denn vor Strafe war auch er nicht gefeit. Je nach Fähigkeiten und Charakter konnten Hofnarren sehr geachtet sein, ein festes Amt bekleiden und durchaus ein Vermögen aufbauen, womit sie wiederum oft die Missgunst der anderen Höflinge auf sich zogen. Nicht alle Hofnarren trugen die typische Tracht mit Eselsohren und Glöckchen, die sie als Außenseiter kennzeichnete, sondern sie übernahmen oft die Hoftracht ihres Herrn. So trug beispielsweise Kunz von der Rosen, aus ritterlicher Familie stammend, seine Soldatentracht und war nicht nur Hofnarr, sondern auch enger Vertrauter von Kaiser Maximilian I. im 15. Jahrhundert.

Stocknarr und Schalksnarr
Die Narren stehen ganz am Schluss des Ständebuchs, was viel über ihre negative Bewertung aussagt. Besonders augenfällig ist der Gegensatz von Stocknarr und Schalksnarr: Spätestens seit dem 15. Jh. unterschied man zwischen „natürlichen Narren“, die aufgrund körperlicher und geistiger Gebrechen außerhalb der Norm standen, und Schalksnarren, welche intelligent waren und die Rolle des Narren nur spielten.

Jost Amman, Hans Sachs: Stände und Handwerker
Frankfurt/Main: 1568, o. A.
[Faksimile:  München, 1896]
Badische Landesbibliothek, SA 749,7

Ein Narr redet vernünftige Worte
Der Hofnarr des habsburgisch-österreichischen Herzogs Leopold I. (1290–1326), Kuony von Stocken, fand seinen Weg sogar in eine Weltchronik. Sein Herr plante einen Kriegszug gegen die Schweizer. Kuony stellte die Frage: Wohl kommt ihr in das Land hinein, wie aber wieder hinaus? Die Krieger lachten ihn aus, mussten aber nach einer schweren Niederlage an ihn denken, als sie ihr Heer nur mit größter Mühe und stark dezimiert aus der Schweiz retten konnten.

Sebastian Münster: Cosmographia
Basel: Adam Petri, 1544
Badische Landesbibliothek, 53 B 317 R

Claus Narr
Claus Narr (vor 1455–1515) zählt zu den „natürlichen Narren“ und wurde aufgrund seiner entstellten Erscheinung und seiner geistigen Sonderbarkeiten schon als Kind an den sächsischen Hof geholt. Um ihn ranken sich zahlreiche komische, aber auch beunruhigende Geschichten, die der Pfarrer Wolfgang Büttner 1572 erstmals herausbrachte. So soll er nach Wasser gerufen haben, um die Veste Coburg vor den Flammen zu retten. Dass dort zu diesem Zeitpunkt tatsächlich ein Feuer wütete, konnte in Sachsen niemand ahnen.

Wolfgang Büttner: Von Claus Narren
Frankfurt: Nikolaus Basse Erben, 1602
Badische Landesbibliothek, 100 B 76085 RH

Der Wagen der Schalksnarren
Fast 150 Holzschnitte verschiedener Künstler, darunter Albrecht Altdorfer und Albrecht Dürer, umfasst die Darstellung des Triumphzugs Kaiser Maximilians I., der damit seine glanzvolle Herrschaft demonstrieren wollte.  Neben Jägern, Kriegern, Bannerträgern und Kriegsgefangenen gibt es auch zwei Wagen, die von den Hofnarren besetzt werden, aufgeteilt nach „natürlichen“ und Schalksnarren.
Den Bannern fehlen jedoch die Inschriften: Das Werk blieb aufgrund des Todes des Kaisers 1519 unvollendet.

Stanley Appelbaum (Hrsg.): The triumph of Maximilian I.
New York, NY : Dover Publ., 1964
Badische Landesbibliothek, 75 B 1179

Ein Narr will Feuer an zwei Pulverfässer legen
Das um 1510 entstandene Versepos beschreibt allego-risch die abenteuerliche Brautfahrt des Kaisers in Gestalt des edlen Ritters Theuerdank. Seine Gegenspieler Fürwittig, Unfalo und Neidelhart versuchen mit allen Mitteln, den Erfolg zu verhindern. Sie sind es auch, die einen Hofnarren anstiften, zwei Pulverfässer in Brand zu stecken, was Theuerdank jedoch verhindern kann. Das Bild des zündelnden Narren ist heute noch von größter zeitpolitischer Aktualität…

Maximilian I.: Theuerdank
Nürnberg: Schönsperger, 1517
Badische Landesbibliothek, 42 C 36 RH

Der gelehrte Narr: Jakob Paul von Gundling
Jakob Paul von Gundling (1673–1731) sah sich als Gelehrter, wurde jedoch vom Preußenkönig Friedrich Wilhelm I. zum „Lustigen Rat“, also Hofnarren, ernannt. In der derben Männergesellschaft bei Hofe wurde von Gundling schnell zum Opfer von Spott und bösen Streichen, die ihn in die Trunksucht trieben. Mit seiner Spottschrift brandmarkte David Fassmann, gleichfalls „Lustiger Rat“, ihn als eitlen und unfähigen Gelehrten: Affen, Hasen und Satyrn symbolisieren Geistlosigkeit, Lüsternheit und Blasiertheit.

David Fassmann: Der gelehrte Narr
Freiburg: Fassmann, 1729
Badische Landesbibliothek, 70 A 702