Johann Wenzel Kalliwoda in Donaueschingen und Karlsruhe

Zu sehen ist ein Porträt von Johann Wenzel Kalliwoda, gemalt von Gustav Schlick in Leipzig um 1850.

Gustav Schlick: Johann Wenzel Kalliwoda (1801–1866). Leipzig [um 1850].
Badische Landesbibliothek, K 3170,D,1. - zum Digitalisat

Brigitte Knödler-Kagoshima 19.12.2022 12 Uhr

DOI: https://doi.org/10.58019/yd70-ya34

Am 19. Dezember 1822 – also vor 200 Jahren – trat Johann Wenzel Kalliwoda (1801–1866) seinen Dienst als Hofkapellmeister am Fürstlich Fürstenbergischen Hof in Donaueschingen an. Das Datum des Dienstbeginns geht aus einem offiziellen Dekret der Hofverwaltung hervor, in dem der Musiker und Komponist zum Hofkapellmeister ernannt wurde. Kaum jemand ahnte damals, dass seine Anstellung bei Hofe bis zu seiner Pensionierung im Jahr 1866 währen sollte.

Wer war Johann Wenzel Kalliwoda? Wo werden seine Werke heute aufbewahrt? Und wie können seine Werke eingesehen werden?

Leben und Werk von Johann Wenzel Kalliwoda

Einen Einblick in Leben und Werk von Johann Wenzel Kalliwoda gibt der Artikel „Johann Wenzel Kalliwoda“, der am 2. Dezember 1916 in der Zeitung Badischer Beobachter anlässlich des 50. Todestages am 3. Dezember 1866 veröffentlicht wurde:

„Am 3. Dezember 1866 ist in Karlsruhe in einem Hause der Amalienstraße Johann Wenzel Kalliwoda entschlafen. Sein Name lebt fort als ein liebenswürdiger Musiker, und manche seiner zahlreichen Kompositionen wird noch heute gerne gehört.
Johann Wenzel Kalliwoda ist durch den damals regierenden Fürsten von Fürstenberg in unser Land gebracht worden. Er stammte aus Prag und wurde dort am 21. Februar 1801 geboren. Seine musikalischen Studien vollendete Kalliwoda in den Jahren 1810 bis 1816 in seiner Vaterstadt bei dem Konservatorium unter Leitung des Virtuosen Friedrich Wilhelm Pixis. Schon im Jahre 1815 erhielt Kalliwoda in anbetracht seines Könnens auf der Violine ein Stipendium und im Jahre 1816 fand er sogar die Anerkennung Webers, des Komponisten des „Freischützen“. Nachdem Kalliwoda seine Studien abgeschlossen hatte, trat er in das Prager Theaterorchester ein und gehörte diesem dann bis zum Jahre 1822 an. Auf einer Kunstreise nach München lernte ihn der Fürst von Fürstenberg kennen, der ihn dann anstelle Konradin Kreutzers zu seinem Kapellmeister ernannte. Noch im Dezember 1822 übernahm Kalliwoda sein Amt und leitete das fürstliche Orchester zu Donaueschingen und unterrichtete die Kinder des fürstlichen Hauses in der Musik. Mehrmals wurde dieser Aufenthalt in Donaueschingen unterbrochen durch Konzertreisen, bis sich im Jahre 1848 der Fürst von Fürstenberg infolge der politischen Bewegung veranlaßt sah, sein Orchester aufzulösen. Der Künstler nahm nun seinen Wohnsitz in Karlsruhe, bis er elf Jahre später wieder einen Ruf nach Donaueschingen erhielt, um eine neue Kapelle zu bilden. Diese Aufgabe löste Kalliwoda in bester Weise und er übernahm die Leitung. Am 7. Juni 1866 sah er sich gezwungen, aus gesundheitlichen Gründen von dem Amte zurückzutreten. Wiederum nahm Kalliwoda seinen Aufenthalt in Karlsruhe; leider war er nur noch von kurzer Dauer, denn noch vor Ende des Jahres starb der Meister.
Kalliwoda hat etwa 250 Kompositionen hinterlassen, darunter zwei Opern, die jetzt allerdings vergessen sind, dann eine Messe und zahlreiche Konzertstücke, die heute noch beliebt sind. Auch zahlreiche Lieder hat er für eine Singstimme und für Männerchor in Musik gesetzt. [… ]
Kalliwoda war seinem Wesen und in seinen Werken ein gemütvoller Charakter von echt deutschem Empfinden.
Droben in Donaueschingen im fürstlichen Park hat Kalliwoda an einer ruhigen, hübschen Stelle mitten im Grün ein Denkmal. Ein lebendigeres hat er vielfach noch im Volk der Baar. In der Weihnachtszeit wird an manchen Orten das liebliche Kalliwodasche Lied „Es kam die gnadenvolle Nacht, die uns den Heiland hat gebracht“ in der Kirche vom ganzen Volk gesungen. Es ist eine Art Wiegenlied für das Christkindchen, nicht tief, aber weich und sangbar und dort, wo es sich eingebürgert hat, mit Begeisterung gesungen. In Donaueschingen kann man noch von alten Leuten, die Interesse dafür hatten, von der guten, alten Zeit erzählen hören, da die fürstenbergische Residenz noch ein Hof- und Residenztheater kleinen Stils hatte, in welchem Kalliwoda lange das musikalische Szepter führte. Das Grab Kalliwodas befindet sich auf dem Karlsruher Friedhof.“

Zu sehen ist ein handgeschriebenes Notenblatt mit dem Beginn von Johann Wenzel Kalliwodas „Zweistimmiges Weihnachtsliedchen“ mit dem Text „Es kam die gnadenvolle Nacht“ von 1853.

Johann Wenzel Kalliwoda: „Zweistimmiges Weihnachtsliedchen“ mit dem Textbeginn „Es kam die gnadenvolle Nacht“. Autograph 1853. Badische Landesbibliothek, Don Mus.Ms. 907. - zum Digitalisat
Es handelt sich um eine traditionelle Melodie, von Johann Wenzel Kalliwoda stammen der Satz und die Instrumentalbegleitung. Das Werk liegt zusätzlich unter der Signatur JWK Mus.Ms. 325 im Karlsruher Nachlass vor. - zum Digitalisat

Würdigungen in Karlsruher Zeitungen

Ein Artikel der Karlsruher Zeitung in der Rubrik „Baden“ vom 8. Mai 1842 zeigt, dass Johann Wenzel Kalliwoda in Karlsruhe bekannt und hochgeschätzt war:

„Karlsruhe, 7. Mai. In diesen Tagen wurde dem hier anwesend gewesenen fürstl. fürstenbergischen Hofkapellmeister Kalliwoda zu Ehren ein aus Künstlern und Kunstfreunden bestandener Abendzirkel veranstaltet, an welchem Jedermann theilnehmen konnte, der dem gefeierten Manne seine Achtung und Aufmerksamkeit erweisen wollte. Zahlreich war die aus den verschiedensten Ständen zusammengesetzte Gesellschaft, erfreulich deren augenscheinliches Bemühen, dem geehrten Gaste auf das freundlichste entgegen zu kommen. Heiterkeit und treffliche musikalische Genüsse würzten das Mahl, bei welchem sinnige und mit Jubel aufgenommene Toaste ausgebracht wurden auf Se. königl. Hoh. den Großherzog, Se. Durchl. den Fürsten von Fürstenberg, auf das allerhöchste Brautpaar, auf Kalliwoda, auf die Kunst u.a.m. Wenn gleich eine solche Feier Kalliwoda’s festgegründeten großen Ruf nicht erhöhen kann, so ist dieselbe doch als ehrenvolle Auszeichnung zu würdigen, da Aehnliches hier nur selten noch geschah!“

Wenige Tage davor, am 3. Mai 1842, hatte die Hochzeit von Alexandrine von Baden (1820–1904) mit dem Erbprinzen und späteren Herzog Ernst II. von Sachsen-Coburg und Gotha (1818–1893) stattgefunden. Alexandrine war eine Tochter des Großherzogs Leopold von Baden (1790–1852) und der Großherzogin Sophie (1801–1865).

Ein weiterer Artikel der Karlsruher Zeitung in der Rubrik „Vermischte Nachrichten“ vom 11. Februar 1846 thematisiert ein Konzert im Hoftheater zugunsten des Waisenfonds, das Kalliwoda veranstaltet hatte:

„Karlsruhe, 9. Februar. Das große Konzert, welches der fürstlich fürstenbergische Hofkapellmeister, Herr Kalliwoda, zum Besten des hiesigen Lokalwaisenfonds am 30. Januar d. J. im großh. Hoftheater veranstaltet hatte, lieferte in artistischer und finanzieller Hinsicht so schöne Resultate, daß nur ein schuldiger Akt der Gerechtigkeit ausgeübt wird, wenn man hier öffentlichen Dank ausspricht: 1) Dem hochherzigen Veranstalter, der als Komponist und Virtuose neue Lorbeeren sammelte; 2) den hiesigen Männergesangvereinen, die sich dem Unternehmen so freundlich anschlossen, und deren Bemühungen und Leistungen alle Anerkennung verdienen, und 3) der gesammten großh. Hofkapelle und den Solisten. Die Anwesenheit des Meisters Kalliwoda, der als Mensch und Künstler hier allgemein verehrt ist, gab Veranlassung zu mehreren ihm zu Ehren veranstalteten Festlichkeiten, von welchen das souper musicale im Bürgerverein obenansteht, bei welchem sich in vielen Toasten Humor und Gemüth ausgesprochen, und dem lieben Gaste einige Gedichte und ein von schönen Händen gewundener Lorbeerkranz überreicht wurden. […] In der Nacht vor der Abreise des Hrn. Kalliwoda wurde demselben noch von einigen Mitgliedern der hiesigen Gesangvereine und der großh. Hofkapelle eine Serenade gebracht, worin er einen Beweis wahrer Liebe und Verehrung erkennen möge, und welche Gefühle von allen denen getheilt werden, die den herrlichen Meister kennen.“

Zu sehen ist ein Theaterzettel vom 30. Januar 1846 mit der Ankündigung eines von Johann Wenzel Kalliwoda veranstalteten Konzerts im großherzoglichen Hoftheater in Karlsruhe.

Theaterzettel vom 30. Januar 1846 mit der Ankündigung eines von Johann Wenzel Kalliwoda veranstalteten Konzerts im Hoftheater in Karlsruhe. - zum Digitalisat

Die Werke von Johann Wenzel Kalliwoda und ihre Digitalisate in der Badischen Landesbibliothek

Die Musikaliensammlung der Fürstlich Fürstenbergischen Hofbibliothek Donaueschingen befindet sich seit 1999 in der Badischen Landesbibliothek. Die Musikhandschriften daraus sind in der Datenbank RISM (Répertoire International des Sources Musicales) erschlossen, die Musikdrucke im Katalog plus. In der Donaueschinger Musikaliensammlung sind zahlreiche Musikhandschriften und Musikdrucke von Johann Wenzel Kalliwoda enthalten.
In vier Teilprojekten konnten bis März 2021 mit Unterstützung der Stiftung Kulturgut die Donaueschinger Musikhandschriften (Signaturengruppe Don Mus. Ms.) digitalisiert und somit für die Forschung zur Verfügung gestellt werden. Zusätzlich konnten in den letzten Jahren Donaueschinger Musikdrucke (Signaturengruppe Don Mus. Dr.) digitalisiert werden. Ziel ist es, in den nächsten Jahren die Musikdrucke dieses Bestandes vollständig zu digitalisieren und damit alle Donaueschinger Musikalien online für die wissenschaftliche Forschung zur Verfügung zu stellen.

Neu digitalisiert wurden im Jahr 2022 Briefe von Johann Wenzel Kalliwoda (Signaturengruppe Don Mus. Autogr.) aus der Sammlung. Es handelt sich dabei um einen Brief an den Verlag C. F. Peters in Leipzig vom 10. Dezember 1831 sowie zwei Briefe an den Hofschauspieler August Gerstel in Stuttgart vom 15. April 1841 und vom 26. April 1841. Aufgeführt sind sie – neben den musikalischen Werken des Komponisten – in den Digitalen Sammlungen der Badischen Landesbibliothek unter der Rubrik „Sammlung Kalliwoda“. Dort sind auch weitere, bereits digitalisierte Briefe von Johann Wenzel Kalliwoda verzeichnet, u.a. an seinen Sohn Wilhelm Kalliwoda (1827–1893), an den Apotheker und Reichstagsabgeordneten Ludwig Kirsner (1810–1876), an den niederländischen Komponisten Anton Berlijn (1817–1870) sowie an den Musikverleger Carl Gotthelf Böhme (1785–1855), der von 1828 bis 1855 Eigentümer des Verlages C. F. Peters in Leipzig war.

Zu sehen ist eine Schwarzweißphotographie von Wilhelm Kalliwoda, dem Sohn von Johann Wenzel Kalliwoda.

Wilhelm Kalliwoda (1827–1893). Aus: Friedrich von Weech: Karlsruhe: Geschichte der Stadt und ihrer Verwaltung, Band 3,1. Karlsruhe: Macklot 1904. - zum Digitalisat

Weitere musikalische Werke aus dem Nachlass Kalliwoda blieben zunächst im Familienbesitz in Karlsruhe. 1951 wurden diese Musikalien als Depositum der Badischen Landesbibliothek übergeben, die den Bestand im Jahr 1989 schließlich ankaufte. Der Nachlass enthielt neben den Werken Johann Wenzel Kalliwodas auch das künstlerische Erbe des Sohnes Wilhelm Kalliwoda, der als badischer Hofkapellmeister von 1866 bis 1875 die Musikgeschichte Karlsruhes mitgeprägt hat. Die Musikhandschriften und Musikdrucke aus diesem Nachlass sind alle erschlossen (Signaturengruppe JWK und WK). Sie wurden in einem durch die Stiftung Kulturgut Baden-Württemberg geförderten Projekt von Oktober 2021 bis September 2022 digitalisiert und sind ebenfalls unter der Rubrik „Sammlung Kalliwoda“ aufgeführt.

Im Jahr 2000 erhielt die Badische Landesbibliothek zudem einen umfangreichen Teilnachlass der Familie Kalliwoda, der als „Kalliwoda-Familienarchiv“ aus Privatbesitz stammt und hauptsächlich Korrespondenzen, biographische Materialien sowie Dokumente zur Rezeption der Werke Johann Wenzel und Wilhelm Kalliwodas enthält. Dieser Bestand ist im Kalliope Verbundkatalog, dem Nachweisinstrument für Nachlässe, Autographen und Verlagsarchive, nachgewiesen.

 

Quellen

Matthias Miller und Martina Rebmann: „... Liebhaber und Beschützer der Musik“. Die neu erworbene Musikaliensammlung der Fürsten zu Fürstenberg in der Badischen Landesbibliothek. Ausstellung in der Badischen Landesbibliothek vom 20. September bis 25. November 2000. Berlin: KulturStiftung der Länder [u.a.] 2000.

László Strauß-Németh: Johann Wenzel Kalliwoda und die Musik am Hof von Donaueschingen. Band 1: Kulturhistorische und analytische Untersuchung. Band 2: Vollständiges Werkverzeichnis. Hildesheim [u.a.]: Olms 2005.

Marianne Binz: Johann Wenzel Kalliwoda (1801–1866): Lebensbild eines fürstlichen Hofkapellmeisters nebst Werkverzeichnis. Göttingen: Hainholz 2012.

Brigitte Knödler-Kagoshima und Jana Madlen Schütte: Die Hochzeit des Figaro, Fürstenberg-Marsch und Leontinen-Gavotte – Musikhandschriften aus Donaueschingen in den Digitalen Sammlungen der Badischen Landesbibliothek. In: Badische Heimat / Landesverein Badische Heimat. - Bd. 102 (2022), Heft 2, S. 274-285. Preprint in RegionaliaOpen: Die Hochzeit des Figaro, Fürstenberg-Marsch und Leontinen-Gavotte – Musikhandschriften aus Donaueschingen in den Digitalen Sammlungen der Badischen Landesbibliothek.

Jan Křtitel Václav Kalivoda
Badische Landesbibliothek

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