Robert von Mohl (1799–1875)
Robert von Mohl (1799–1875), deutscher Jurist und Politiker, Professor der Staatswissenschaft in Tübingen, Reichstagsmitglied und Bibliothekar, Quelle: UB Tübingen, CC0 – Public Domain.
Peter Michael Ehrle, 5.11.2025
DOI: https://doi.org/10.58019/AEZF-RQ75
In der Nacht vom 4. auf 5. November 1875 ist in Berlin der Reichstagsabgeordnete Robert von Mohl im Alter von 76 Jahren verstorben. Die zweite Hälfte seines Lebens hat Mohl in Baden verbracht, sodass es gerechtfertigt sein mag, aus Anlass des 150. Todestages hier an diesen bedeutenden Staatswissenschaftler und Politiker zu erinnern.
Mohl entstammte der württembergischen „Ehrbarkeit“. Sein Urgroßvater war der berühmte Staats- und Völkerrechtler Johann Jacob Moser von Filseck (1701–1785), der als juristischer Berater der württembergischen Landstände, als so genannter Landschaftskonsulent, fungierte. Sein Vater war Benjamin Ferdinand von Mohl (1766–1845), der für kurze Zeit württembergischer Innenminister war und der danach weitere hohe Staatsämter bekleidete. Mohls Mutter Louise Friedrike war die Schwester des einflussreichen Kanzlers der Universität Tübingen Johann Heinrich Ferdinand von Autenrieth.
Studium der Rechtswissenschaften
Nach einem kurzen Studium der Rechtswissenschaften in Tübingen und Heidelberg promovierte Mohl im August 1821 in Tübingen zum Doktor beider Rechte. Sein Vater ermöglichte ihm danach einen dreijährigen Studienaufenthalt in Frankfurt a. M., Göttingen und Paris, und Mohl nutzte die Zeit, um sich mit Veröffentlichungen über die Rechtspflege des Deutschen Bundes und über das damals noch wenig bekannte Bundes-Staatsrecht der Vereinigten Staaten von Nord-Amerika zu profilieren.
1824 erhielt der junge Wissenschaftler auf Betreiben seines Vaters eine außerordentliche Professur an der Tübinger Juristenfakultät, ohne zuvor Privatdozent gewesen zu sein. Schon drei Jahre später wurde er mit 28 Jahren zum ordentlichen Professor an der Staatswissenschaftlichen Fakultät ernannt. Zwischen 1835 und 1842 wurde Mohl dank seiner ausgezeichneten Beziehungen zur württembergischen Regierung die einflussreichste Persönlichkeit der Universität. Er nutzte seine Vertrauensstellung bei der Regierung dazu, um der lange Zeit vernachlässigten Universität beträchtliche Finanzmittel zu verschaffen. Zu den Glanzpunkten seiner hochschulpolitischen Tätigkeit gehört die Initiative zum Bau eines neuen Universitätshauptgebäudes, das zwischen 1841 und 1845 errichtet wurde.
Tübinger Schloss. Ansicht vom oberen Neckar aus, ca. 1855, Quelle: UB Tübingen, CC 0 – Public Domain.
Leiter der Universitätsbibliothek Tübingen
Von nicht minder langfristiger Wirkung war Mohls Leitung der Tübinger Universitätsbibliothek (1836–1844), die bewirkte, dass der Literaturbestand der Bibliothek durch den Ankauf zahlreicher Gelehrtenbibliotheken quantitativ und qualitativ bedeutend vermehrt wurde, und dass die Bibliotheksorganisation durch Anlegung neuer Kataloge, Erweiterung der Magazine und Lesesäle sowie Verbesserung der Benutzungsmöglichkeiten einen hohen Stand erreichte. Mohl hat in seinen 1902 postum erschienenen Lebens-Erinnerungen die Leitung der Universitätsbibliothek als diejenige Phase seiner Wirksamkeit bezeichnet, an die er am liebsten zurückdenke, weil er sich bewusst sei, „nichts besser gemacht zu haben“.
Unter Mohls zahlreichen Publikationen ragt die erste moderne deutsche Verwaltungslehre hervor, die 1832–1833 unter dem Titel Die Polizei-Wissenschaft nach den Grundsätzen des Rechtsstaats erschien und in der Mohl die „polizeistaatliche“ Wohlfahrtsidee mit dem liberalen Rechtsstaatsgedanken zu einer Einheit verband. Seine Begriffe von „Rechtsstaat“ und „Gemeinwohl“ schlossen eine aktive Verantwortung des Staates für das materielle Wohlergehen der Bevölkerung ein, so dass Mohl zu den Vorläufern einer staatlichen Sozialpolitik gerechnet werden kann. 1844 begründete Mohl zusammen mit Tübinger Kollegen die Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft.
Mohls fruchtbare Tätigkeit an der Tübinger Universität wurde 1845 abrupt beendet, als es der selbstbewusste Verwaltungsspezialist wagte, im Zusammenhang mit seiner Kandidatur für den württembergischen Landtag der Regierung einige Fehler und Versäumnisse vorzuwerfen. König Wilhelm I. versetzte den renitenten Professor auf einen untergeordneten Verwaltungsposten in Ulm und Mohl beantwortete diesen Affront mit seinem Austritt aus dem württembergischen Staatsdienst.
Nach einem Intermezzo als Stadtrat in Tübingen und als Mitglied des württembergischen Landtags konnte Mohl im Herbst 1847 eine Professur für Staats- und Verwaltungsrecht an der Universität Heidelberg antreten.
Lesesaal der Universitätsbibliothek Tübingen, Quelle: UB Tübingen, CC 0 – Public Domain.
Der Politiker Robert Mohl
Das Jahr 1848 rückte Mohl in den Mittelpunkt der deutschen Politik. Er wurde Abgeordneter der verfassungsgebenden Nationalversammlung und übernahm am 25. September 1848 das Amt des Justizministers der vorläufigen Reichsregierung, das er bis zum 10. Mai 1849 innehatte. Mohl gehörte dem linken Zentrum an. Er war aber nach heutigen Maßstäben ein Konservativer, der sich für die parlamentarische Monarchie einsetzte und der das allgemeine Männerwahlrecht ablehnte.
Nach dem Scheitern der Märzrevolution zog sich Mohl zunächst auf seine wissenschaftliche Tätigkeit zurück und veröffentlichte u.a. eine umfassende Abhandlung über Geschichte und Literatur der Staatswissenschaften (1855–1858). 1857 wurde der Heidelberger Professor Mitglied der Ersten Kammer des badischen Landtags, und 1861 ernannte ihn der Großherzog zum badischen Gesandten am Deutschen Bundestag in Frankfurt a. M. Dort erwarb sich Mohl durch seine Initiative zur Wiederherstellung der vom Landesherrn einseitig aufgehobenen kurhessischen Verfassung die Sympathien der deutschen Liberalen.
Nach der Auflösung des Bundestags hatte Mohl von 1867 bis 1871 den badischen Gesandtenposten in München inne und wurde danach zum Präsidenten der badischen Oberrechnungskammer ernannt. Im hohen Alter ließ er sich 1874 als Abgeordneter von Donaueschingen in den Deutschen Reichstag wählen, dem er als Mitglied der nationalliberalen Fraktion bis zu seinem Tode angehörte.
Literatur (Auswahl)
- Erich Angermann: Robert von Mohl 1799–1875. Leben und Werk eines altliberalen Staatsgelehrten (Politica. Abhandlungen und Texte zur politischen Wissenschaft 8). Neuwied 1962.
- Peter Michael Ehrle: Robert von Mohl als Leiter der Tübinger Universitätsbibliothek 1836–1844 (Contubernium 10). Tübingen 1975.
- Paweł Lesiński: At the origins of German liberalism. The state in the thought of Robert von Mohl (Studies in politics, security and society 35). Berlin 2020.
- Thomas Stockinger: Robert von Mohl: Der Linksausleger im Reichsministerium – alles andere als ein Demokrat, in: Achtundvierzig. Erschienen am 25. März 2013. Abgerufen am 10. März 2025.
- Birgit Stöcker: Die Gemeinwohltheorie Robert von Mohls als ein früher Ansatz des sozialen Rechtsstaatsprinzips. München 1992.