Einzigartige Drucke und Handschriften nun vollständig online zugänglich

Abb.1.: Sechs Balladen von L. Uhland : mit Begleitung des Pianoforte / in Musik gesetzt von Conradin Kreutzer.
Gerrit Heim, 1.10.2025
DOI: https://doi.org/10.58019/8500-C456
Mit der Musikaliensammlung erwarb die Landesregierung im Jahr 1999 einen weiteren wertvollen Bibliotheksbestand der Fürstlich Fürstenbergischen Hofbibliothek in Donaueschingen. Die finanziellen Mittel für diesen Ankauf stellten vor allem die Stiftung Kulturgut Baden-Württemberg und die Kulturstiftung der Länder bereit. Die nahezu vollständig erworbene Musiksammlung umfasst mehr als 5.300 Musikdrucke und über 3.500 Musikhandschriften. Die Bedeutung dieser Erwerbung wird im Katalog der im Jahr 2000 in der Badischen Landesbibliothek gezeigten Ausstellung deutlich.
Im Geleitwort zu diesem Katalog schrieb der damalige Minister für Wissenschaft, Forschung und Kunst, Klaus von Trotha:
„Mit der Musikaliensammlung der Fürstlich Fürstenbergischen Hofbibliothek, die aufgrund ihrer Geschlossenheit und ausgewogenen Mischung nahezu aller musikalischen Gattungen eine wichtige Quelle für die Musikpflege an einem regional bedeutenden Hof in der zweiten Hälfte des 18. und der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts ist, erhält die Badische Landesbibliothek eine vorzügliche Ergänzung ihres bedeutenden Musikalienbestandes.“
Eben jener herausragende Musikalienbestand der Badischen Landesbibliothek spiegelt sich auch in der Digitalisierungsstrategie der 2010 eröffneten Digitalisierungswerkstatt wider. Die Musikaliendigitalisierung ist deshalb seit 15 Jahren ein Schwerpunktbereich der Badischen Landesbibliothek. Seitdem sind in zahlreichen Projekten circa 600.000 Images aus dem Musikalienbestand in der Badischen Landesbibliothek erzeugt worden. Die verschiedenen Teilprojekte zum Donaueschinger Musikalienbestand waren eine feste Größe und wurden allesamt durch die Stiftung Kulturgut Baden-Württemberg gefördert.
Zwischen 2016 und 2021 konnten vier Projekte zur Digitalisierung der Musikhandschriften durchgeführt werden. Im Anschluss gelang es, drei weitere Projekte zu den Musikdrucken der gleichen Provenienz durchzuführen.
Der Donaueschinger Bestand enthält viele Werke bedeutender Komponisten, die einen hohen Wert für die musik- und theatergeschichtliche Erforschung des Landes Baden-Württemberg haben. Das Repertoire der Hofmusik in dieser Zeit war breit gefächert, es umfasste Sinfonien, Konzerte, Opern, Ouvertüren, Melodramen, Ballette, Tänze, Harmoniemusik, Kammermusik und Kirchenmusik.
Eine Blüte erlebte die Hofmusik in Donaueschingen zwischen der Mitte des 18. und der Mitte des 19. Jahrhunderts unter den Fürsten Joseph Wenzel zu Fürstenberg, Joseph Maria Benedikt zu Fürstenberg und Carl Egon II. zu Fürstenberg.
Die digitalisierten Werke bilden eine erstaunliche Bandbreite ab und stammen von so prominenten Personen wie Wolfgang Amadeus Mozart, dessen Opern alle in Donaueschingen aufgeführt wurden. Der fürstlich-fürstenbergische Hof stand in enger Beziehung zu Prag und Wien. Von dort wurden Abschriften der Werke Mozarts bezogen, die heute teilweise Primärquellen sind. Der Bestand enthält zudem viele Werke der Hofkapellmeister Conradin Kreutzer (1780–1849) und Johann Wenzel Kalliwoda (1801–1866).

Abb. 2: Karl Egon II. Fürst zu Fürstenberg, Quelle: aus Schwäbische Heimat 2018 (4), S. 431, CC-BY 4.0
Viele durchreisende Künstler besuchten den musikliebenden Hof in Donaueschingen, dessen Fürsten stets als großzügig gegenüber Musikern galten. Einen besonderen Höhepunkt stellte der Auftritt von Franz Liszt (1811–1886) in Donaueschingen 1843 dar: Der berühmte Pianist und Komponist weilten drei Tage am Hof und konzertierte mehrfach vor der Hofgesellschaft. Laut einem zeitgenössischen Bericht rührte er seine Zuhörerinnen und Zuhörer dabei mit seinem Klavierspiel zu Tränen. Dass Musikdrucke von Franz Liszt im Bestand der Donaueschinger Musikalien aufbewahrt werden, verwundert deshalb nicht.
Zunehmendes Interesse finden in der letzten Zeit die musikalischen Werke von Komponistinnen sowie deren Biographien, Lebensumstände und Arbeitsmöglichkeiten. Mit der Digitalisierung der Musikaliensammlung besteht die Gelegenheit, diese Werke für die wissenschaftliche Forschung sowie für musikalische Aufführungen und Neueditionen zur Verfügung zu stellen. Dazu zählt Sophie Crüwell (1826–1907), mit Künstlernamen Sophie Cruvelli, geboren in Bielefeld. Sie war in der Mitte des 19. Jahrhunderts eine der berühmtesten Opernsängerinnen Europas. Den Höhepunkt ihrer Laufbahn erlebte Sophie Crüwell in Frankreich. Die Große Oper in Paris bot ihr 1854 einen Zweijahresvertrag an für eine Gage, die bis dahin noch keine Primadonna jemals erhalten hatte. Unmittelbar nach Ablauf ihres Vertrages dankte Sophie Crüwell von der Bühne ab und heiratete 1856 den Grafen George Vigier. Eine Rückkehr auf die Bühne erlaubten ihr ab 1858 Wohltätig-keitskonzerte, überwiegend an ihrem Winterwohnsitz in Nizza, wo sich alljährlich die internationale Gesellschaft versammelte. Wenig bekannt ist, dass Sophie Crüwell auch komponierte: Das Werk L' etoile que j'aime – paroles et musique de Sophie Cruvelli steht nun in den Digitalen Sammlungen der Badischen Landesbibliothek zur Verfügung. Das Werk erschien 1860 im Verlag Ménestrel in Paris und ist in Deutschland gemäß Verbundkatalog K10plus bisher nur in der Badischen Landesbibliothek nachgewiesen.
Wie bei vielen fürstlichen Notensammlungen des 19. Jahrhunderts sind auch in der Donaueschinger Musikaliensammlung Kompositionen von Standesgenossen der Fürsten von Donaueschingen vorhanden, darunter Werke aus dem Haus der Fürsten von Fürstenberg selbst. Erwähnenswert sind hier Werke von Emil Egon zu Fürstenberg (1825–1899), dem Sohn des regierenden Fürsten Karl Egon II. zu Fürstenberg und seiner Gemahlin Amalie Prinzessin von Baden. Dieser veröffentlichte unter dem Pseudonym Emil (von) Urach zahlreiche Kompositionen. Werke, die im Rahmen des Projekts digitalisiert wurden, sind bisher nur in der Badischen Landesbibliothek nachgewiesen.
Bei der Durchsicht der vorhandenen Musiknoten kann man auf seltene Werke stoßen wie beispielsweise den Defilir-Marsch für Pianoforte zu vier Händen, komponiert von Alexandra von Sachsen-Altenburg (1830–1911). Alexandra stammte aus einer sachsen-altenburgisch-württembergischen Verbindung und war ab 1849 durch Heirat russische Großfürstin. Sie war eine begabte Musikerin, und es sind verschiedene Kompositionen von ihr überliefert. Gemeinsam mit ihren Schwestern Marie, Therese und Elisabeth wurde sie von Carl Ludwig Nietzsche ausgebildet. Der Defilier-Marsch, der im Rahmen des Projekts digitalisiert wurde, ist bisher nur in der Badischen Landesbibliothek nachgewiesen.
Die komplette Sammlung an Musikhandschriften und Musikdrucken lässt sich nun in den Digitalen Sammlungen der Badischen Landesbibliothek betrachten, durchsuchen und herunterladen. Insgesamt konnten in allen Projekten 230.000 Images Musikhandschriften und 165.000 Images Musikdrucke aus dem Bestand der Fürstlich Fürstenbergischen Bibliothek digital bereit gestellt werden.
Für eine Suche eignet sich zunächst der Einstieg über die Musikalien-Sammlung. Die Werke sind nach Rubriken klassifiziert. Alternativ ist eine erweiterte Suche im Musikalienbestand möglich. Hat man die gewünschte Musikalie gefunden, lässt sich diese entweder über den integrierten IIIF-Viewer öffnen, als Vollbild betrachten sowie als PDF oder JPG herunterladen.
Alle Titel lassen sich zusätzlich in den Metakatalogen bzw. Portalen RISM und der Deutschen Digitalen Bibliothek auffinden.

Abb. 3: Donaueschinger Musikalien in den Digitalen Sammlungen der Badischen Landesbibliothek.