Inspiration durch Sammelbilder (Text III): Der Tüpfelkuskus

Ausstellungsplakat zu „Wissen in Bildern – die bunte Welt der Sammelalben“. Abgebildet im Monogon ist ein Detail einer Sammelbilder-Graphik. Zwei Frauen und ein Mann nehmen im Grünen ein Picknick zu sich.

Die Mitglieder der Schreibgruppe KITeratur haben sich für ihre hier veröffentlichten Texte von den in der Ausstellung Wissen in Bildern – Die bunte Welt der Sammelalben ausgestellten Sammelalben inspirieren lassen.

Julius Link, 4.8.2025

DOI: https://doi.org/10.58019/7ANW-N944

Bereits im Februar – noch vor der Eröffnung der Ausstellung Wissen in Bildern – Die bunte Welt der Sammelalben – hatten die Teilnehmenden des Schreibworkshops „Bild zu Text“ der Kreativschreibgruppe KITeratur die Gelegenheit, in einer Auswahl historischer Sammelalben aus der Ausstellung zu stöbern. Unter der Leitung von Werbetexter und Autor Julius Link entstanden dabei fünf literarische Texte, die sich auf ganz eigene Weise von den vielfältigen Bildwelten inspirieren ließen. Diese Texte veröffentlichen wir nun nach und nach im BLBlog.

Im August präsentieren wir den Beitrag von Julius Link. Seine literarische Auseinandersetzung geht zurück auf ein Foto mit dem Titel Tüpfelkuskus zu finden im Sammelalbum Album für Chlorodant-Sammelbilder, Ausgabe II: Außereuropäische Säugetiere, Serie 2: Malaiische und papuanische Säugetiere.

Einband eines der Sammelbildalben für Chlorodont-Sammelbilder. Bei dem Thema handelt es sich um europäische Säugetiere.

Cover des Sammelalbums Album für Chlorodant-Sammelbilder. Quelle: BLB.

Der Tüpfelkuskus

„Wusstest du, dass die damals in Indien alle einen Tüpfelkuskus als Haustier hatten?“

Enkelin Tabea sah stirnrunzelnd von dem alten Sammelalbum hoch, das sie mit ihrem Opa anschaute. Ihr Großvater deutete auf ein braunweiß geflecktes Tier mit einer rosafarbenen Schwanzspitze und Knopfaugen.

„Ich dachte, die leben in Papua-Neuguinea?“

Verwirrt sah sie der alte Mann an. Tabea deutete auf die Überschrift: Serie 2 Papuanische Säugetiere.

„Ach, die kommen auch in Indien vor. Vielleicht wurden die auch eingeschifft. Auf jeden Fall waren das richtig fiese Biester, wenn die Hunger hatten. Die wurden wie Katzen gehalten, weil sie auch Ratten und Ungeziefer gefressen haben. Hach ja, das waren Zeiten in Indien“, schwärmte der Mann mit den buschigen Augenbrauen und dem kurzen gestutzten Bart.

„Ich dachte, die essen nur Blätter und Früchte. Steht zumindest hier“, sagte das Mädchen und tippte auf die Bildbeschreibung.

„Ach, das ist ein alter Text. Das stimmt alles nicht mehr so ganz.“

Tabea sah weiterhin stirnrunzelnd auf das Bild.

„Das google ich nachher“, murmelte sie leise vor sich hin.

„Was hast du gesagt? Du musst lauter sprechen, damit ich dich verstehe! Opa Emil hört nicht mehr so gut“, sagte der Mann viel zu laut, als ob sie ihn dadurch auch besser verstehen würde.

„Nichts, Opa! Erzähl weiter!“, sagte Tabea nun deutlich lauter.

„Wo waren wir? Ach ja: Und wie die durch die Luft von Baum zu Baum gesprungen sind.“ Seine Stimme wurde wieder träumerisch.

Tabea unterbrach ihn wieder.

„Da steht, die sind sehr schwer. Weiß nicht, wie das gehen soll.“

Emil schaute seine Enkelin mit einem tadelnden Blick an.

„Mein liebes Kind, warum glaubst du mir nicht einmal? Ständig musst du alles hinterfragen. Ich habe es selbst erlebt! Ich weiß, wovon ich spreche. Am Ende willst du mir noch weis machen, dass der Tüpfelkuskus gar nicht die wohlschmeckendsten Eier legt, die ich je in meinem Leben gegessen habe! Das hab ich noch so auf der Zunge, als wäre es gestern gewesen. Du kannst deinem Opa ruhig mal glauben.“

Tabea seufzte, dachte kurz nach, wog das Für und Wider ab – und legte es am Ende doch darauf an.

„Es ist ein Säugetier.“

„Was?“

„Der Tüpfelkuskus ist ein Säugetier.“

„Jaja, das weiß ich doch.“, entgegnete Emil sichtlich genervt.

„Säugetiere legen keine Eier, Opa.“

Nun herrschte frostige Stille. Das Sammelalbum wurde mit einem lauten Klatschen geschlossen und zurück ins Regal gestellt.

„Ich glaube, Oma hat den Kuchen angeschnitten. Wir sollten rübergehen.“

Weitere Informationen

Weitere Informationen zu den Sammelalben im Bereich „Lebewesen – Tiere und Pflanzen“ finden Sie auf der Ausstellungsseite.

KITeratur ist eine offene Schreibgruppe, die sich dem kreativen Ausdruck in all seinen Formen widmet. Willkommen sind alle, die Freude am Schreiben haben – unabhängig von Vorkenntnissen oder Erfahrung. Der Kooperationspartner lädt an jedem vierten Samstag im Monat zum gemeinsamen Arbeiten an Texten ein.