100 Jahre „Mein Kampf“: Zur Verbreitung einer Hetzschrift

Buchrücken einer historischen Ausgabe von „Mein Kampf“ mit dunkelblauem Ledereinband und goldener Schrift für Titel und Autor.

‚Volksausgabe‘ von Mein Kampf, in der Teil I und Teil II zu einem niedrigeren Preis verkauft werden konnten. Hier eine Auflage von 1939. Quelle: BLB

Michael Fischer, 30.7.2025

DOI: https://doi.org/10.58019/FP6B-GY06

Vor 100 Jahren, genau: am 18. Juli 1925, veröffentlichte der in München ansässige Franz-Eher-Verlag den ersten Band von Adolf Hitlers Hetzschrift Mein Kampf. Diesen Teil seines zweibändigen Werkes hatte Hitler während seiner Festungshaft in Landsberg verfasst. Der zweite Teil erschien am 11. Dezember 1926. In Mein Kampf legte Hitler seine politischen Überzeugungen und seine Weltanschauung dar. Das Werk wurde später zu einem zentralen Bestandteil der nationalsozialistischen Propaganda und spielte eine entscheidende Rolle bei der Verbreitung der nationalsozialistischen Ideologie. Zentral war in Mein Kampf der Antisemitismus, der die Juden als wesensböse Bedrohung für das „deutsche Volk“ imaginierte und damit die Grundlagen für die spätere NS-Vernichtungspolitik legte. In diesem Beitrag soll es um die kommerzielle Verbreitung des Werkes anhand einiger ausgewählter Schlaglichter gehen.

Bescheidene Anfänge

Kurz nach seinem Erscheinen verkaufte sich Mein Kampf noch schleppend – die Käufer beschränkten sich noch mehr oder weniger auf die Anhänger der damals noch absolut randständigen NSDAP. Mit der zunehmenden Popularität von Hitler und den ersten Wahlerfolgen der NSDAP steigerten sich aber auch die Verkaufszahlen von Mein Kampf – erst recht mit der Herausgabe einer Volksausgabe (1930), die beide Teile in einem Band zusammenfasste und deutlich günstiger als die Vorauflagen auf den Markt kommen konnte. Ende 1930 betrug der Gesamtabsatz von Mein Kampf knapp 55.000 Exemplare. In den Folgejahren entwickelten sich die Verkaufszahlen zwar stabil, ein Bestseller war Mein Kampf aber immer noch nicht.

Auf dem Weg zum Bestseller

Erst mit der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler und der brutalen Eroberung der Macht im Frühjahr 1933 explodierte die Zahl der verkauften Exemplare, so dass im Oktober 1933 das „einmillionste Exemplar“ ausgeliefert werden konnte, was wohl „den größten Erfolg darstellen“ dürfte, „den je ein politisches Buch in Deutschland erlebt“ hatte – wie das Karlsruher Tagblatt in seiner Ausgabe vom 27. September 1933 schrieb. Zeitweise kamen die Druckereien mit der Produktion nicht mehr hinterher, bis sich der Absatz um den Jahreswechsel 1934/35 wieder verschlechterte.

Die staatlichen Stellen sowie die Gliederungen der NSDAP wurden nun dazu angehalten, den Verkauf durch geeignete Maßnahmen wieder anzukurbeln. So machte beispielsweise das Reichsinnenministerium den Kommunen den drängenden ‚Vorschlag‘, Frischvermählten zur Hochzeit ein Exemplar von Mein Kampf zu schenken. Dieses Geschenk musste die jeweilige Kommune jedoch zuvor zum vollen Preis vom Eher-Verlag kaufen – was nicht unerhebliche Kosten verursachte. So ist es trotz des starken Drucks auf die Kommunen kaum verwunderlich, dass auch noch Ende der 1930er Jahre viele Gemeinden auf diese Art von Hochzeitsgabe verzichteten. Andere hingegen nicht, wie zum Beispiel die württembergische Gemeinde Tauberbischofsheim, die im Juni 1936 dazu übergegangen war, „jedem arischen Ehepaar bei Eheschließung das Werk des Führers „Mein Kampf“ als Geschenk der Gemeinde bei der standesamtlichen Trauung zu überreichen.“

10 Jahre „Mein Kampf“

Zum zehnjährigen Jubiläum der Erstveröffentlichung fand eine reichsweite Rundfunksendung mit dem Titel Das Wort des Führers, zehn Jahre Hitlerbuch „Mein Kampf“ statt. In dieser lieferten zwei „alte Kampf- und Parteigenossen“ Hitlers, nämlich sein ehemaliger Chauffeur Emil Maurice und sein langjähriger Chefadjutant Julius Schaub, Einblicke in die Entstehung von Mein Kampf – was allerdings recht erstaunlich ist, da beide nur am Rande an der Abfassung beteiligt waren. Auch in der regionalen Parteipresse bemühte man sich, die Bedeutung des Buches herauszustellen. In besonders schwülstigen Wendungen schrieb der Schriftleiter für Kultur und Unterhaltung der badischen NS-Zeitung Der Führer Günther Röhrdanz im Oktober 1935 über Mein Kampf:

„So ist das Buch Tat geworden, in der der Geist des neuen Deutschland lebt, für uns Lebende aber auch ein stummer Freund, auf den wir in diesem Lebenskampf immer gern zurückgreifen, ein Freund, der uns nicht im Stich läßt, der offen vor uns liegt sobald wir ihn brauchen, der uns in allem worum wir kämpfen, ein treuer Helfer ist. So aber wird das Buch zum Schwert des Geistes, weil es uns kämpfen hilft für das was wir wollen.“

Im August 1938 überschritt der Gesamtabsatz die Grenze von vier Millionen Exemplaren – und im Führer erschien ein Artikel, der den bisherigen Erfolg des Buches im In- und Ausland umfangreich bejubelte und resümierte:

„Des Führers Werk ist somit über die ganze Welt verbreitet. Es soll den Völkern das Verständnis des schwer um seine Freiheit kämpfende deutsche Volk der Nachkriegsjahre vermitteln und ihnen den Weg verständlich machen, den Deutschland hinter seinem Führer Adolf Hitler gegangen ist und gehen mußte, wenn es weiterhin Anteil am Weltgeschehen nehmen wollte.“

Der Eher-Verlag feierte den Erfolg mit einer eigenen Öffentlichkeitskampagne zum „Buch der Deutschen“. Insgesamt wurden bis 1945 allein in der Originalsprache mehr als 12 Millionen Exemplare gedruckt – eine höhere Verbreitung hat ein Autorenbuch in Deutschland wohl niemals erreicht. Hinzu kommen Übersetzungen in fast alle Sprachen und Verkaufserfolge im Ausland. Seinen Autor hat Mein Kampf zum mehrfachen Millionär gemacht: geschätzt dürften sich Hitlers Einnahmen durch den Verkauf von Mein Kampf auf mehr als 12 Millionen Reichsmark belaufen haben.

Nach 1945: ein ungelesener Bestseller?

Entgegen späterer Schutzbehauptungen handelte es sich bei Mein Kampf aber keineswegs um einen „ungelesenen Bestseller“ – das Buch wurde im Gegenteil breit rezipiert. 1939 lebte in fast zwei Dritteln aller deutschen Haushalte mindestens eine Person, die „wenigstens etwas ausführlicher“ in Mein Kampf gelesen hatte. Dies illustriert auch ein Artikel in der Badischen Presse vom 16. März 1933, in dem die am stärksten nachgefragten Titel in den Karlsruher Bibliotheken behandelt werden – in diesen werde Mein Kampf „andauernd viel verlangt“. Auch von administrativer Seite wurde zügig nach der Eroberung der Macht das Lesen von Mein Kampf gefördert: So erließ beispielsweise der (damals noch) kommissarische badische Kultusminister Otto Wacker am 25. März 1933 die Weisung, dass Mein Kampf für die Schulbibliotheken in Baden angeschafft und als Preis für Schülerpreise verwendet werden solle.

Nach 1945 fielen die Urheberrechte an den Freistaat Bayern, der einen Nachdruck in Deutschland untersagte und gegen Urheberrechtsverletzungen vorging. Der Besitz und der antiquarische Erwerb waren und sind in Deutschland jedoch nicht strafbar. Mit Ablauf des Jahres 2015 erlosch der Urheberrechtsschutz und das Werk wurde gemeinfrei – 2016 veröffentlichte das Institut für Zeitgeschichte eine kritische Edition von Mein Kampf, die hier in der Fassung der 13. Auflage von 2022 online verfügbar ist.

Literatur:

Hier finden Sie umfangreiche Informationen und Rechercheeinstiege rund um Mein Kampf.